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Christian Stöcker

McKinsey und die Klimakonferenz Die Untergangsberater

Christian Stöcker
Eine Kolumne von Christian Stöcker
In knapp drei Wochen beginnt die Weltklimakonferenz in Dubai. Wird sie zur Farce? Der Konferenzpräsident ist Ölmanager – und er hat einen selbstmörderischen Plan für die Klimapolitik. McKinsey sei Dank.
Sultan Al Jaber, Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc – und Präsident der Weltklimakonferenz

Sultan Al Jaber, Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc – und Präsident der Weltklimakonferenz

Foto: Christopher Pike / Bloomberg / Getty Images

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  • Ein neuer Uno-Bericht  kommt zu dem Schluss, dass schon die Pläne für weitere Öl-, Gas- und Kohleextraktion in zehn der reichsten Länder der Erde ausreichen, um das 1,5-Grad-Ziel dauerhaft zu reißen. Die weltweiten Pläne überschreiten auch die Fördermengen, die mit einem 2-Grad-Ziel kompatibel wären, noch um 69 Prozent .

  • Zur Spitzengruppe der Länder, die dazu am meisten beitragen, gehören neben Indien (Kohle) Saudi-Arabien (Öl) und Russland (Kohle, Öl und Gas) auch die USA, Kanada – und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE).

Letzteres ist besonders bemerkenswert, weil in den VAE ab Ende November die 28. Weltklimakonferenz (COP28) stattfindet. Zum Präsidenten des Gipfels hat man Sultan Al Jaber bestimmt, der gleichzeitig der Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc ist. Adnoc plant derzeit, seine ohnehin gewaltige Ölförderung weiter auszubauen .

Diese Woche kam heraus, dass die Konferenzplaner offenbar mit dem Vorsatz in den Gipfel gehen, an diesem Kurs rein gar nichts zu ändern. Im Gegenteil. Und dabei bekommen sie – kostenlos! – Unterstützung von Profis.

Gruppentherapie mit einem Dealer

Die französische Nachrichtenagentur AFP enthüllte, dass die Unternehmensberatung McKinsey für die Tagungsleitung einen Plan erstellt hat. Dieses »Energieübergangsnarrativ«, das der AFP vorliegt, »reduziert den Ölverbrauch bis 2050 nur um 50 Prozent und ruft dazu auf, jedes Jahr bis zu diesem Zeitpunkt weitere Billionen in die Erschließung neuer Öl- und Gasvorkommen zu investieren«. Das ist, um Uno-Generalsekretär António Guterres zu zitieren, »moralischer und wirtschaftlicher Wahnsinn«.

Es würde erfordern, dass wir bis 2050 nicht nur 100.000-mal so viel CO₂ wieder aus der Atmosphäre holen wie heute. Der McKinsey-Plan würde die nötige, bislang aber rein hypothetische CO₂-Absaugung noch einmal verdoppeln.

Es ist, als träfen sich Drogenabhängige zur Gruppentherapie, aber der vermeintliche Therapeut ist ein Großdealer mit professioneller Marketingunterstützung.

ExxonMobil muss sinken

McKinsey erbringt die Beratungsleistungen dem AFP-Bericht zufolge »pro bono«, also ohne Honorar. Das stimmt natürlich nicht ganz, denn McKinsey wird von jenen bezahlt, die an der Erderhitzung viele Billionen Dollar verdienen wollen. Zu McKinseys Kunden gehören AFP zufolge ExxonMobil, Saudi Aramco, BP und Shell; einige der größten Ölkonzerne der Welt.

Mit ExxonMobil steht McKinsey auf so freundschaftlichem Fuß, dass vor ein paar Wochen ein langes, völlig unkritisches Interview mit ExxonMobil-Chef Darren Woods auf der McKinsey-Website erschien . Es ist ein Gespräch aus einer Parallelwelt, in der in jedem Fall weiter Öl verbrannt wird, ohne Enddatum. Woods erklärt darin sogar stolz, dass er allen Bestrebungen widerstanden habe, auch in Sonnen- und Windenergie einzusteigen: »Wir bleiben bei dem vor Anker, was wir am besten können.« ExxonMobil war jahrzehntelang führend bei der Finanzierung von Klima-Desinformation .

McKinsey erklärte auf AFP-Anfrage zu seiner Rolle: »Wir sind stolz darauf, COP28 zu unterstützen, indem wir strategische Einblicke und Analysen und sektorenspezifische und technische Expertise zur Verfügung stellen.«

AFP zitiert auch einen Insider, der an den Planungsrunden zur COP28 teilgenommen hat. Er sagte, McKinsey habe Ratschläge erteilt, »die nicht im Interesse des COP-Präsidenten als Leiter eines multilateralen Klimaabkommens liegen, sondern im Interesse des COP-Präsidenten als CEO einer der größten Öl- und Gasfirmen der Region.«

Drei Milliarden Dollar Gewinn pro Tag, 50 Jahre lang

Um ein Gefühl für die Größenordnung der Gewinne zu vermitteln, um die es geht: Einer auf Weltbank-Daten basierenden wissenschaftlichen Studie von 2022 zufolge haben allein die Öl- und Gaskonzerne und die Petrostaaten von 1970 bis 2020 inflationsbereinigt etwa eine Billion US-Dollar pro Jahr Gewinn gemacht . Knapp drei Milliarden Dollar pro Tag. Jeden Tag, fünfzig Jahre lang. Gewinn, nicht Umsatz. Am meisten verdienten die Konzerne in den letzten 20 Jahren. 2022 stellten sie einen neuen Rekord auf .

ExxonMobil-Chef Woods erzählte McKinsey einmal mehr das Märchen, dass erneuerbare Energien und Elektromobilität »zu teuer« seien. Das ist schon jetzt nachweislich  falsch, und zwar trotz der Tatsache, dass Firmen wie seine nicht für die gewaltigen Schäden zur Rechenschaft gezogen werden, die ihre Geschäftsmodelle verursachen. Dem Internationalen Währungsfonds zufolge werden die Fossilbranchen Jahr für Jahr mit mehreren Billionen Dollar an direkten und indirekten Subventionen gefördert .

Im Jahr 2022 waren es laut IWF sieben Billionen Dollar oder 7,1 Prozent des Welt-Bruttoinlandsprodukts. Mit dieser Art von Unterstützung aus Steuergeldern könnte man auch mit schimmligem Brot Milliardengewinne machen.

Geld mit Vernunft verwechselt

Unternehmensberatungen gelten unter ihren Fans als Meister der Effizienz, als Gipfel der unternehmerischen Rationalität. Es sieht aber aus, als glaubten auch die Berater der Reichen und Mächtigen an Wunder.

McKinsey scheint Geld mit Vernunft zu verwechseln. Die Männer, die so denken und handeln – es sind fast nur Männer – müssen gestoppt werden. Europa muss bei der COP28 mit einer Stimme sprechen, um diesen selbstmörderischen Kurs zu ändern.