Atomkraft: Absteigen vom toten Pferd

Nachdem Deutschland im April 2023 endgültig aus der Atomkraft ausgestiegen ist, wollen CDU, AfD und Teile der FDP weiter auf die teure und gefährliche Technik von gestern setzen. Dabei ist die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien günstiger, umweltfreundlicher und schneller zu realisieren. 
Von Aribert Peters

(26. März 2024) Obwohl Union und FDP 2011 den Atomausstieg beschlossen haben und unter der schwarz-roten Regierung noch kurz vor Ende der letzten Legislaturperiode drei der letzten sechs Atomkraftwerke abgeschaltet wurden, rufen CDU, Teile der FDP und AfD jetzt wieder nach der Technologie. Was die Parteien nicht sagen: Laut Internationaler Energieagentur sind Atomkraftwerke viel zu teuer und damit unwirtschaftlich. Keine Kilowattstunde aus einem neu errichteten AKW kann konkurrieren mit einer aus einem Windrad oder einem Solarpanel. Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) hat in einem Statement klargemacht: „Neu errichtete Kernkraftwerke waren zu keiner Zeit wettbewerbsfähig und werden es auf absehbare Zeit auch nicht werden.“

 ED 01/2024 Atomkraft: Absteigen vom toten Pferd (S.13) 

Kleine Reaktoren

Die kleinen Atomkraftwerke (SMR) sind in vielen Ländern geplant. In den USA haben der SMR-Entwickler Nuscale Power Corporation und der Energieversorger Utah Associated Municipal Power Systems (UAMPS) beschlossen, trotz staatlicher Milliardenzuschüsse doch keinen Small Modular Reactor im Bundesstaat Idaho zu bauen, denn der Strom lasse sich nicht verkaufen. Er sollte das erste Mini-AKW in den USA werden.

Lange Bauzeiten

Die Bauzeit von Atomkraftwerken ist sehr lang. Im weltweiten Durchschnitt beträgt sie zwischen sechs und acht Jahren. Die Fertigstellung in Europa – derzeit sind acht Reaktoren im Bau – verzögert sich erfahrungsgemäß um viele Jahre und die Kosten explodieren. Bestes Beispiel ist das Atomkraftwerk Olki-luoto 3 in Finnland: Bauzeit 18 Jahre. Und ein Druckwasserreaktor im französischen Flamanville ist nach 16 Jahren noch immer nicht fertiggestellt. 

Explodierende Kosten

Auch der Bau des von Anfang an umstrittenen Atomkraftwerks Hinkley Point C in Großbritannien verzögert sich weiter. Aufgrund von Kostenüberschreitungen – ursprünglich sollte das Projekt 21 Milliarden Euro kosten, aber die jüngste Schätzung geht von etwa 53 Milliarden Euro aus – steigt der chinesische Investor China General Nuclear Power Group (CGN) aus dem Projekt aus. Die für Juni 2027 geplante Inbetriebnahme des Reaktors dürfte nicht einzuhalten sein. Atomprojekte erfordern überall erhebliche staatliche Hilfen und Strompreisgarantien über dem Marktpreis, um finanziell tragfähig zu sein. Durch Atomstrom die Strompreise zu senken, ist daher ein Mythos fernab jeglicher Realität.

Atomrenaissance abwegig

Schon 1987 sind Italien und Österreich aus der Kernenergie ausgestiegen, ebenso Schweden, das jetzt aber wieder ganz auf die Kernenergie setzen will. Hierzulande hält selbst die Versorgungswirtschaft eine Neuauflage dieser Technologie für abwegig. „In Deutschland ist die Messe für die Atomenergie gelesen“, sagte unlängst Eon-Chef Leonhard Birnbaum. Er hält eine Wiederaufnahme der Kernenergie schon rein technisch für unmöglich. „Atomenergie war, ist und bleibt unrentabel und technologisch riskant. Daran ändern auch angeblich neuartige Reaktorkonzepte nichts, die de facto ihren Ursprung in der Frühzeit der Atomenergie in den 1950er-/60er-Jahren haben“, betont auch Alexander Wimmers vom DIW.

Wer also jetzt auf Kernenergie setzt, verschleudert nicht nur enorme Geldmittel, die für Erneuerbare besser eingesetzt wären, sondern auch Zeit. Denn bevor neue Atomkraftwerke Strom liefern, vergehen Jahrzehnte, von der ungelösten Endlagerung ganz abgesehen. 

Wahlkampfthema Atomkraft

Mit der Angst vor einem Blackout machen einige Parteien Wahlkampf. Bei einer Umfrage gaben rund 59 % der Befragten an, der Ausstieg aus der Atomkraft sei falsch. Besonders die Älteren wollen an der Technologie festhalten, bei den Jüngeren bewegt sich etwas. Daher greifen CDU/CSU und AfD die Regierung mit dem Ruf nach Atomkraft lautstark an, um keine Wähler zu verlieren. Auch Friedrich Merz (CDU) weiß natürlich, dass die Atomkraft ein totes Pferd ist. Trotzdem steigt er nicht ab.

letzte Änderung: 24.01.2024